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Eroberer des Unnützen

Als ich das erste mal die Drei Zinnen sah, war ich gerade 10 Jahre alt. Ich war mit meinem Vater auf den Toblinger Knoten geklettert und blickte gegenüber auf diese majestetisch wirkenden Felstürme. Es fällt schwer den Blick abzuwenden, aber noch schwerer ist es, sich vorzustellen, in diesen überhängenden Nordwänden zu klettern. Noch kannte ich nicht die Geschichten von Emilio Comici, Claudio Barbier oder René Desmaison.
1973 am Toblinger Knoten (Ostturm)
 Aber ich fand sie bald in der üppigen Bibliothek meines Vaters. Ein paar Jahre später erzählte mir mein Freund Herbert* aus Sexten bei einem unserer Streifzüge durch die Felsen im Fischleintal, dass einer der drei Sachsen, die 1963 im Winter die Superdirettissima durch die Große Zinne machten, jetzt in Toblach eine Tankstelle betreibt. Also gingen wir kurzerhand nachschauen, was es mit der Tour auf sich hat. Als wir an der Stelle unter der Wand standen in dessen Falllinie wir den Gipfel vermuteten, erschienen mir die Dächer und Überhänge wie ein Weg der niemals endet. Zum ersten mal war ich an der Tür zu einer Welt die ich nur aus Büchern kannte. Wenn ich da raufsteigen würde käme ich direkt in den Himmel. So redete ich mir ein, muß es sich anfühlen. Ich kannte jetzt die Geschichten von den Männern die tagelang auf Sitzbrettern saßen und mit der Hand Bohrhaken in diesen Felsen meißelten. Seit der Erstbegehung waren immerhin schon 16 Jahre vergangen. Wir stellten uns mit dem Rücken an die Wand und blickten hinauf in die Wüste aus gelben Mauern und Dächern. Alles erschien jenseits der Senkrechten. Hin und wieder pfiff ein Stein durch die Luft und schlug viele Meter entfernt in das Geröllfeld vor uns.





Am Einstieg der Superdirettissima (Gr. Zinne Nordwand)


Es sollte noch 34 Jahre dauern bis ich einen dieser Männer kennenlernte, die diese Welt zum ersten Mal betraten.

"Superdirettissima (Sachsenweg)"

(Peter Siegert, Rainer Kauschke, Gerd Uhner)


"Eine europäische Seilschaft"

(mit Pierre Mazeaud, Roberto Sorgato, Winfried Ender)



Film mit freundlicher Genehmigung von Lothar Brandler**


*Herbert Villgrater, Wirt der Talschlußhütte
*Leider hat uns Herbert viel zu früh verlassen. Zu seinen Ehren gibt es über seiner Hütte am Einser eine "Gedankenreise" (Herbert Villgrater Gedächtnisweg, 8+)

**Lothar Brandler verstarb am 15. November 2016. Im Februar 2015 sandte er mir eine DVD mit den original Aufnahmen, die ich auszugsweise in Gedenken an ihn hier veröffentliche.



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