Seiten

Faktotum

Meet the Yeti
Eigentlich ist das Internet eine geniale Erfindung: es bietet in kürzester Zeit Informationen, für die man früher "Ewigkeiten" gebraucht hat. Dazu gab’s eigentlich nur drei Möglichkeiten: entweder man kannte jemanden der es einem beibrachte, man fand es irgendwo geschrieben, oder probierte selbst rum. Heute "googelt" man einfach die Angelegenheit, erhält im Gegenzug hunderte von Eindrücken und kann dann aussuchen, welchem man zugeneigt ist. Was man nicht goggeln kann ist Erfahrung!

Hier ein Beispiel: Ich hatte für mich herausgefunden, wenn die Nerven bei exponierten Klettereien mal wieder versagten, ein spezielles Psychotraining einzulegen mit dem heutigen modernen Namen "free solo onsight", was man auch ungefähr so übersetzen könnte: ich kenn die Tour nicht, geh mal alleine ohne Seil und schau, ob ich das überlebe." Das mag jetzt für den "Talschleicher" ein wenig krank klingen, für Leute der verschärfteren Gangart ist das vollkommen normal, sich beim Zustieg erst ab UIAA III aufwärts anzuseilen. Auf jeden Fall führte dies bei mir jedesmal zu einem  100%  garantierten Erfolg. Und darauf kam’s mir an. Wie viel Erfahrung, Disziplin und Konzentration dafür notwendig sein würde, hing nicht nur vom Schwierigkeitsgrad ab, sondern maßgeblich von der Selbsteinschätzung. Die Kunst ist es, auf jede Eventualität eine Lösung zu haben. Der Nebeneffekt ist, alles was Du tust, machst Du überbewußt. Dabei trainiert man dermaßen die Sinne, dass man jeden Stein doppelt fest anpackt, jeden Tritt x-mal testet und ständig im Hinterkopf die Entscheidung Weiter oder Zurück fällt.
So stellte ich eines schönen Augusttages mein Auto auf dem Kaisertalparkplatz ab, radelte mit dem Mountainbike ins Tal hinter und versteckte mein Rad unterhalb vom Hans-Berger Haus im Gebüsch. Dann ging’s Richtung Strips in den Hohen Winkel und über die Totensesselschlucht in die Enzensperger-Route. Beim Anblick der unter mir 700 Meter abfallenden Wand beim Ausstieg der Schlüsselstelle (offiziell III+), schießen einem bestimmte Gedanken durch den Kopf. Diese Situation auszuhalten ist anschließend der erwünschte Lerneffekt. Dass man den nicht googeln kann, liegt auf der Hand. Das Schwierigste lag hinter mir, die Längen zum Gipfel waren reinster Genuss. Der Abstieg über den Kaiserschützensteig war auch erledigt, jetzt mußte ich nur noch querfeldein zu meinem Rad finden. Kurz davor kreuzte ich den Sparchenbach und es bot sich an, besser hier von Stein zu Stein zu springen, als den Kampf durchs Unterholz zu führen. So sprang ich grad auf einen riesigen runden Stein - er hatte mindestens eineinhalb Meter Durchmesser und war rund wie ein Fußball - als dieser plötzlich in Bewegung geriet. Da es mir die Beine wegzog und um nicht unter den Stein zu geraten, mußte ich um meinen Arsch zu retten egal wie, abspringen. Dabei landete ich auf dem selbigen irgendwo Richtung Steißbein. Wer die Stelle kennt weiß, wie lange man braucht, bis man wieder schmerzfrei laufen kann. Zu meinem Glück gab’s mittlerweile den Tunnel nach Sparchen runter den ich verbotswidrig zwecks Notlage diesmal in Anspruch nahm. Die Moral von der Geschicht: man wird nur alt, wenn man  a l l e s   richtig macht !

Lange Rede kurzer Sinn: will man erfolgreich in die Berge und wieder zurück, reicht es nicht, alle Topos, GPS Daten, Knoten, Materialkniffe, Schwierigkeitsgrade...usw. zu kennen, sondern sollte möglichst viele Situationen durch-/überlebt haben, denn nur das Tun verschafft Sicherheit. In diesem Sinne frei nach Kant: Je mehr du gedacht, je mehr du getan hast, desto länger hast du gelebt.
Als uneingeschränkte Pflichtlektüre empfehle ich jedem der auf einen Gipfel will auch die drei Bände von Pit Schubert "Sicherheit und Risiko in Fels und Eis".

Keine Kommentare: