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Drei Zinnen, Preußriß

Paul Preuß und die Freikletterei... 

"Bergtouren die man unternimmt, soll man nicht gewachsen sondern überlegen sein.

Quelle [1]: Literaturmuseum Altaussee


Bild 1            Preußtrum 2700m (Preußriss, NO-Wand, 8SL, V, 250mH, P.Preuß u. P.Relly 6.9.1911)

Zustiegsgedanken..
..je näher wir dem Felsklotz kommen um so mehr beschleicht mich diese Mischung aus Unbehagen und Überwindung. Wahrscheinlich ist es ein archetypischer Trieb der mich Fuß vor Fuß setzen läßt mit dem flauen Gefühl in der Magengegend, auf das was kommt?
Ich hab ja Guido bei mir, denke ich beruhigend. Je öfter wir zusammen klettern umso häufiger beobachte ich, dass es scheinbar keinen Unterschied gibt, ob er in 7m Höhe unseren Balkon demontiert,  in den einzigen, keiner weiß wie geschlagenen Haken unterm Rossi Überhang saust, oder irgendein Felsturm neben uns in die Tiefe stürzt. Er ist nie zu beeindrucken! Außer es gibt auf dem Gipfel eine Rundumsicht. Da kommen plötzlich Emotionen hoch, die er sofort mit seinem iPhone in 360° Manier mpged...:-)
Ich denke an die Herausforderung und den Zwang dieser verdammten selbstgefälligen Eitelkeit. Es zwingt mich ja niemand mein Leben aufs Spiel zu setzen. Es beim glücklichem Ausgang als Überlegenheit zu bezeichnen, kommt mir jetzt wie Selbstbetrug vor. Dann sage ich mir wieder: Glück gehabt. Die Kletterei war weniger meinen Fähigkeiten geschuldet, als dem glücklichen Umstand, von Murphy verschont worden zu sein!


Zur Erinnerung :
 „Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonstwie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.“
(Ing. Edward A. Murphy, jr.)
Aber es gibt auch die Umkehrung dieses Gesetzes, nämlich das von Yhprums. Einfach formuliert besagt es: alles was funktionieren kann, wird auch funktionieren!
Also steigen wir ein... 
Bild 2        Standplatz unterm Preußwandl (1.SL 30m IV, 2.SL 20m V+) (Quelle: Silvis Handycam)

Da der Originalzustieg seit einem Gewitter 1981 nicht mehr existiert, wählen wir den direkten Aufstieg zum Standplatz des Preußwandls. Als ich den Felsen anfasse, fühle ich nichts. Dazu kommt, dass ich vergeblich nach einem Sicherungspunkt suche, wobei wir uns schon auf „do it yourself“ eingestellt haben. Aber da ist nichts. Nur kalte nackte Griffe und Tritte.
Die erste Seillänge führt schräg rechts aufwärts über eine vorgelagerte Schuppe und zwischen einem Türmchen, das ich als Minikamin mißbrauche. Am Band in 25 Meter Höhe geht’s luftig bürgersteigähnlich nach links zu einem komfortablen Stand unterhalb einer senkrechten seichten Rissverschneidung. Von oben schaut eine Rostgurke heraus. Die Stelle darunter muss zwingend geklettert werden, bis der Haken einem Sicherheit vorgaukelt. Danach steht man schnell auf dem bequemem Band unterhalb des Preußwandls. Dort stecken die ersten Bohrhaken, fachgerecht mit ur- und mittelalten Schlingen verbunden. (Bild 2)

Bild 3      Guido in der Schuppe des Preußwandls (3.SL 10m V, 30m I)
Bild 3a    So siehts von unten aus...Guido im Vorstieg

Eine weiße Bandschlinge in dem Riss beruhigt die Nerven. Ich konnte nicht erkennen, woran sie befestigt ist. Darunter befindet sich noch ein alter Holzkeil. Nach 2 Metern knickt die Platte nach links weg und das ist die Schwierigkeit an dieser Stelle. Auf den 10 Metern stecken insgesamt zwei Sicherungen. Es folgt eine leichte Rampe bis zum Stand beim Beginn des den ganzen Berg durchziehenden Kamins.

Bild 4        4SL (30m IV+)

Ab hier beginnt die Kaminkletterei, wobei es in der 4.SL mehr ein Riesenriss ist. Die Kletterei ist senkrecht und zur Beruhigung gibt es diesmal keine Haken. Das hat den Vorteil, dass man keiner Rostgurke trauen muss. Am besten verbringt man seine Zeit während des Kletterns mit dem Suchen nach Plätzen für die Unmengen an Friends die man spazieren trägt. Und so gelangt man ohne Nervenzusammenbruch zum gemütlichen Stand. (Bild 5)

 Bild 5    Am Stand nach der 4. SL
Bild 6     Stand nach der 5.SL 

Unten am Paternsattel sitzt Silvi  in der Sonne und beobachtet uns während ganze Hundertscharen von schreienden Italienern einen Brüllwettkampf vollführen. Derweil springe ich vor Kälte von einem Bein aufs andere während Guido in dem Kühlschrank über mir verschwunden ist.
Bild 7       In der 6.SL gehts mutig aus dem Kamin raus ans Licht

Der Stand nach der 5.SL ist wesentlich spartanischer ausgestattet als der vorige (keine Bolts).
Vom Kamingrund gehts auf der linken Seite direkt zu einer Schuppe hoch (Zugschlinge legen). (Bild 7) 
Ein Haken darüber erleichtert das Gewissen beim Rausklettern aus dem  Kamin. Ein wunderbarer Tritt hilft dabei, wobei Guido beobachtet haben will, dass der mit Rissen durchsetzt ist. Nur Mut!

Bild 8    Kurz vorm Ausstieg aus dem Kamin

Das Topo sagt im Kamin aufwärts was keine wirklich schöne Kletterei ist. Besser man steigt nach links oder rechts über den Kamin in leichterem Gelände weiter. Der Fels legt sich ab dem besagten Tritt zurück. Guido wählte beides:
Den engen Schlund als klaustrophobische Übung als auch den Ausstieg nach rechts. Es findet sich da ca. 30 Meter unterhalb des Gipfelplateaus tatsächlich ein komfortabler Stand mit einem Bohrhaken. Allerdings ist der Seilzug eine echte Prozedur. So habe ich das Vergnügen am Schlappseil nachzusteigen, besonders gefühlsecht an der Stelle, wo man aus dem Kamin heraus muß und die ganze Wand unterm Hintern hat!



Die letzten Meter zum „Gipfel“ sind reine Formsache im 2. Grad. Oben gibt es keinen Haken, dafür einen Block für Schlingen, der schon als Gipfelbuch gedient hat.

 
Da Stolpern verboten ist empfehle ich, angeseilt zu bleiben.

Zuerst vom Gipfel nach Westen 30m auf ein Band abseilen. Dieses nach Norden queren, Vorsicht!
Am äußersten Rand des Turms gehts 2 x 20m runter in die Scharte zwischen Punta di Frida und Preußturm.

Jetzt mehrmals abseilen und abklettern durch die Nervenschlucht.

Abenteuerlich ! (Trifft teilweise auch auf die Abseilringe zu)

Zurück in der Wärme und bei Silvi.

Fazit:
Für eine Erstbegehung ohne Haken mit dem Material vor 100 Jahren ahne ich, was der Paul Preuß unter Freiklettern verstand. In dem Kamin gibts nicht wirklich Stellen, die man zum Standplatzbau ohne Haken verwenden könnte.
Mich würd interessieren, inwieweit Paul Relly über das Mitreißen informiert war oder ob man das damals unter dem Begriff frei(ohne klettern) verstand ? ;-)


Alexander Huber auf den Spuren von Paul Preuß 

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